An einem der letzten halbwegs warmen Tage im Herbst schiebt ein Mann eine Frau im Rollstuhl durch die Lange Reihe, eine Straße im Hamburger Stadtteil St. Georg. Die Frau sitzt da wie eine Königin, stolz und furchtlos, ihr ungestümes Haar leuchtet kupferrot. Einige Menschen bleiben stehen, treten zurück, schauen den beiden nach. Vielleicht aus Ehrfurcht vor dem hohen Alter der Frau, die in wenigen Tagen ihren 97. Geburtstag feiern wird. Vielleicht auch, weil sie Peggy Parnass erkennen, die schon als "Ikone" bezeichnet wurde, als "Kämpferin für Gerechtigkeit" und als "moralische Instanz". Parnass selbst bevorzugte lange einen anderen Titel: "Kleine radikale Minderheit". So stand es auf dem Transparent, das sie bei Demonstrationen mit sich trug. Sie demonstrierte oft, als sie noch etwas beweglicher war. Missstände solle man nicht "beklagen", sagte sie mal, sondern "anklagen".